Gute Nacht, Deutschland!

( 46. KW – 10. bis 16. November 2014)

22:00 Uhr: Es war ein anstrengender Tag. Ich werde dennoch heute meinen ersten Blogeintrag schreiben, denn es soll unbedingt in dieser Woche losgehen, beginnend vom historischen 9.November an, und versuche dann jede Woche einen Eintrag vornehmen.

Abends bin ich meist geschafft, gerade so noch in der Lage, die Glotze laufen und mich berieseln zu lassen. Denn mein Sozialarbeiterjob ist in der Realität tatsächlich mehr als nur Kaffee trinken und „mal drüber reden“. Und auch die anderen Aktivitäten kosten Kraft, unbeschadet des Umstandes, dass ich sie ja freiwillig mache. Der Diskotheker-Job macht großen Spaß, die Mediation bringt mir so viel, davon wird noch eine Menge zu berichten sein. Wenn es sich aber – wie in dieser ersten Blog-Woche – so ballt, dann bin ich abends eben so geschafft wie heute.

 Ich bin gespannt, wie sich diese Art Tagebuch, das ich auf meiner Website einstelle, entwickeln wird, ja ob ich es überhaupt durchhalte, jede Woche einen Eintrag zu schreiben. Und was im Verlaufe daraus wird… Erst einmal mache eigentlich nur einfach das, was ich zu Hause seit Jahren, mit längeren Pausen, tue – schreiben.

Der 9.November also. So ganz entziehen konnte ich mich der allgemeinen Stimmung nicht, auch wenn ich gegenüber solchen Massenphänomenen immer sehr skeptisch bin. Ich meine damit nicht die Wende-Ereignisse von 1989, sondern den allgemeinen Freudentaumel heute. Wer nicht alles zurückblickte und sich erinnerte, wer nicht alles seinen Senf dazugeben musste – und natürlich waren fast alle dagegen und eigentlich zumindest heimliche Widerstandskämpfer. Aber was soll`s. Die Realität ist so vielschichtig wie Sichtweisen auf selbige.

Ich war am 9.November im Lindenpark Potsdam zum Mauerfall – Deutschrock Konzert mit Engerling, Zöllner, Ulla Meinecke, Pankow und Heinz-Rudolf Kunze. Die Ost-West Mischung hat mir gefallen, die Musikrichtung sowieso. Und wie erwartet hat Kunze grandiose Sätze fallen lassen in seinen Zwischentexten… wunderbar.

Ich stand kurz vor dem dreißigsten Geburtstag am 9.November 1989 und habe gestern so bei mir gedacht: Wenn man die ersten fünf Jahre außer Acht lässt, die ohnehin jenseits der bewussten Erinnerungsgrenze liegen, habe ich genau so viel Zeit in der DDR gelebt wie im wieder vereinigten Deutschland. Jeweils 25 Jahre. Ist `ne spannende Erfahrung. Und wenn ich von einer einigermaßen realistischen Lebenserwartung von 75 Jahren ausgehe, dann hab ich genau zwei Drittel hinter mir. Eines im DDR-Sozialismus und eines im BRD-Kapitalismus. Was wird das dritte bringen? Und wie verweben sich die so unterschiedlichen Erfahrungen aus diesen so unterschiedlichen Systemen in der eigenen Biografie?

Also sollte es mir an Stoff nicht fehlen für viele – für meine – Blogeinträge.

Und wenn ich so in die Gegenwart blicke? In der Glotze läuft eine Bambi – Verleihung und ich weiß nicht recht, was grausamer ist: die Moderation von Johannes B.Kerner, der mit Krücken auf die Bühne stolpert oder der schlechte Comedie – Versuch von Olaf Schubert. Der Bundestag debattiert zur Sterbehilfe, in der Ukraine wird auch ohne solche gestorben. Putin schickt Kriegsschiffe bis an die amerikanische Küste und die Walhalla-Ruhmeshalle in Regensburg ist renoviert worden.

Mit den Gedanken an Regensburg sollte ich in`s Bett gehen, denn dort werde ich im Januar nächsten Jahres Haindling lauschen, sicher ein Konzert der Spitzenklasse…

Mitternacht: Ich bin guter Dinge bezügliches meines wöchentlichen Blogs … gute Nacht, Deutschland!